Die narrative Expositionstherapie (NET) ist eine Methode die auf der Annahme basiert, dass traumatische Erlebnisse zu einer Störung der persönlichen Geschichte führen können, indem sie eine Bedrohung für das Selbstkonzept des Betroffenen darstellen. Sie wird den kognitiven Verhaltenstherapien zugeordnet. Sie wurde von Maggie Schauer, Frank Neuner und Thomas Elbert an der Universität Konstanz entwickelt. Die NET hat zum Ziel, die traumatischen Erfahrungen in die Lebensgeschichte des Betroffenen zu integrieren, um dadurch die Symptome der Traumafolgestörung zu reduzieren.
In der NET konstruiert die/der Patient:in mit Hilfe der/des Therapeut:in eine chronologische Erzählung ihrer/seiner Lebensgeschichte mit dem Schwerpunkt auf den traumatischen Erfahrungen. Fragmentarische Berichte über die traumatischen Erlebnisse werden in eine kohärente Erzählung umgewandelt. Empathisches Verstehen, aktives Zuhören, Kongruenz und unbedingte positive Wertschätzung sind wichtige Bestandteile des Verhaltens der/des Therapeut:in. Bei traumatischen Belastungserfahrungen fragt die/der Therapeut:in detailliert nach Emotionen, Kognitionen, sensorischen Informationen, physiologischen Reaktionen und erkundigt sich nach entsprechenden Beobachtungen. Die/der Patient wird ermutigt, diese Emotionen beim Erzählen noch einmal zu durchleben, ohne dabei den Bezug zum „Hier und Jetzt“ zu verlieren: Durch ständige Erinnerung daran, dass die Gefühle und physiologischen Reaktionen aus Erinnerungen resultieren, verknüpft die/der Therapeut:in die Erfahrungen mit episodischen Fakten, d. h. Zeit und Ort. Auf diese Weise wird die Aufarbeitung, Bedeutungsgebung und Integration erleichtert.
Die Methode des Erzählens der gesamten Lebensgeschichte verlangt von den Klient:innen nicht, dass sie ein einzelnes traumatisches Ereignis aus ihrer Traumageschichte auswählen. NET ermöglicht die Reflexion über das gesamte Leben der Person als Ganzes und fördert das Gefühl der persönlichen Identität. Die Arbeit durch die Biografie hebt das Erkennen und die Bedeutung von miteinander verbundenen emotionalen Netzwerken aus Erfahrungen hervor und erleichtert die Integration und das Verständnis von Schemata und Verhaltensmustern, die während der Entwicklung entstanden sind. Die Wiedererlangung der Würde des Überlebenden und die Befriedigung des Bedürfnisses nach Anerkennung sowie die ausdrückliche Menschenrechtsorientierung der „Zeugenschaft“ zeichnen den Ansatz aus. Das Verfahren ist einfach und kann von lokalen Therapeut:innen und Berater:innen in ressourcenarmen Kontexten (z. B. nach Krieg und Katastrophen) leicht eingesetzt werden. Darüber hinaus hat sich die Tatsache, dass der Überlebende im Anschluss an die Behandlung eine schriftliche Biografie erhält, als wichtiger Anreiz erwiesen, die Behandlung abzuschließen.
Originalquelle Übersetzung: Alexander Reich