Klassischerweise denken Personen, die von Trauma sprechen an bestimmte, einzelne Erfahrungen. Ein Banküberfall zum Beispiel, ein Unfall, eine Vergewaltigung. Was oft vergessen wird, sind die chronischen Erlebnisse, die manche Personen, einige über Jahre hinweg, erleben. Was auch oft übersehen wird, sind die (frühkindlichen) traumatischen Erfahrungen, die nicht durch Gewalt, sondern auch Vernachlässigung und das nicht-Beachten von Grundbedürfnissen von Kindern entstehen.
Trauma kann Menschengemacht sein, aber auch durch Naturereignisse (z.B. Überschwemmung, Erdbeben u.ä.) ausgelöst werden.
Es gibt -vereinfacht ausgedrückt- Traumafolgen aus „zu viel“ aber auch solche aus „zu wenig“. Was meine ich damit? Wir kommen als Wesen zur Welt, die komplett abhängig sind von ihrer Umgebung. Ein Säugling, ein Kleinkind, ein Kind, braucht die Unterstützung durch wohlwollende Personen, die die ausgesendeten Signale (z.B. Weinen) zu deuten wissen und diesen adäquat begegnen können (Beruhigung durch „in den Arm nehmen, sanfte Stimme, sanfte Bewegungen und weiteres). Dies nennt sich Co-Regulation. Wenn die Bezugsperson beruhigend auf das Kind reagiert, kann sich dieses auch wieder beruhigen. Eine essentielle Voraussetzung, um sich später gut selbst regulieren zu können.
Ein überforderter Elternteil könnte dem Kind entweder in Form von „zu viel“ begegnen (Schreien, Schütteln, Schlagen) oder aber auch „zu wenig“. Das würde z.B. geschehen, wenn keinerlei Reaktion auf das Kind passiert, es schreiend gelassen wird. In der Realität Vieler waren es letztendlich sowohl Erfahrungen von „zu viel“ als auch „zu wenig“.
Traumatisierende Erfahrungen gehen einher mit einer Überforderung der erlebenden Person und einer Reizüberflutung ihres Nervensystems. Potentiell traumatisierende Situationen sind entweder real lebensbedrohlich oder sie fühlen sich lebensbedrohlich an. Merke: einen Säugling zu lange schreien zu lassen, führt diesen in eine sich lebensbedrohlich anfühlende Situation!
Solche Erfahrungen der Kindheit können Auswirkungen bis weit ins Erwachsenenleben haben und diese können sich in allen Lebensbereichen zeigen. Im Selbstbild, im Umgang mit Beziehungen, im Lebensmut, in der Berufswahl, in der Entwicklung von Süchten, in körperlichen Erkrankungen. Viele Krankheitsbilder (z.B. Depressionen, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen) können ihre Wurzeln in Traumatisierungen haben.
Auch als Erwachsenen können wir natürlich in Situationen geraten, die sich traumatisierend auswirken. Einige Beispiele wären: Gewalterfahrungen, körperlicher und sexueller Missbrauch, Naturkatastrophen, Unfälle oder auch Zeuge von traumatisierenden Situationen zu sein (man denke an Hilfskräfte in Polizei, Rettungssanitäter und co).
Kommt es in Folge traumatisierenden Erfahrungen zu anhaltenden Auswirkungen, den sogenannten Traumafolgen, kann es sein, dass hier therapeutische oder auch klinisch-therapeutische Hilfe notwendig wird.
Bindungsstörungen können als Ursache neben dem „zu wenig“ (mangelnde Stimulation) und dem „zu viel“ (überfordernde Stimulation) auch durch eine inkonsistente Bindung entstehen. So kann ein Elternteil zB eine Emotion oder ein Verhalten mal mit Empathie, mal mit Abneigung begegnen. Geschieht dies häufig und beliebig, so hinterlässt dies eine tiefe Irritation im Kind, da es in der Resonanz der Eltern auf das Verhalten keine Konsistenz und damit keine Orientierung erlebt. Besonders stark gefährdet für diese Dynamik sind Kinder von Eltern mit einer Borderline-Struktur.