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Enaktive Traumatherapie

Enaktive Traumatherapie ist eine Methode für die Behandlung von chronischen traumabezogenen Dissoziationen der Persönlichkeit und basiert auf der Theorie der Strukturellen Dissoziation.

Enaktive Traumatherapie wird durch den enaktiven Ansatz in Philosophie, Psychologie und Biologie beeinflusst – mit folgenden Prämissen: 
Im Hinblick auf diesen Ansatz sind alle Menschen, ob traumatisiert oder nicht, 1. im Wesentlichen in ihrer Umgebung verkörpert und eingebettet. Sie sind 2. zielorientierte menschliche Organismus-Umwelt-Systeme, die in erster Linie bestrebt sind, ihre Existenz zu erhalten und 3. ursprüngliche affektive Systeme, die darauf ausgerichtet sind, Dinge zu verstehen. Der Mensch ist 4. darauf ausgerichtet, in sich als ein mentales und phänomenales Ich, eine Welt und ein Ich-als-Teil-von-dieser-Welt hervorzubringen.
Und 5. ist der Mensch bestrebt, primär Wissen auf der Grundlage der eigenen zielgerichteten sensomotorischen und affektiv aufgeladenen Aktionen zu erwerben.
Wie für jede Form des Lebens ist diese Inkraftsetzung das gemeinsame Ergebnis von Merkmalen des lebenden Organismus (Individuums) und Merkmalen der Welt.

In diesem Licht ist ein Trauma eine Verletzung eines gesamten menschlichen Organismus-Umwelt-Systems. Ihr Kern ist die mangelnde Integration verschiedener dynamischer Sehnsüchte und Bestrebungen: derjenigen, die die Sehnsucht danach haben, ein alltägliches Leben zu leben und vermeintliche Bedrohung zu vermeiden (insbesondere traumatische Erinnerungen), und solche, die die Sehnsucht danach haben, Integrität des Körpers zu verteidigen. 
Bei dissoziativen Störungen nehmen diese Modi die Form von zwei oder mehr bewussten und selbstbewussten dissoziativen Subsystemen an, die ihr eigenes mentales und phänomenales Selbst, die Welt und das Selbst als Teil dieser Welt darstellen. Diese Subsysteme können als dissoziative Teile der Persönlichkeit des/der Patient*in bezeichnet werden, da „Persönlichkeit“ als Organismus-Umwelt-System verstanden wird.

Eine Dreiheit von prototypischen dissoziativen Teilen kann unterschieden werden: Offensichtlich normale Teile der Persönlichkeit (ANP), die sich im täglichen Leben bewegen und sich bemühen, den Alltag zu navigieren und dabei traumatische Erinnerungen und emotionale Teile der Persönlichkeit (EP) zu vermeiden. In traumatischen Erinnerungen sind fragile Emotional Parts (EP`s) vor allem bestrebt, ihre Existenz angesichts der großen Bedrohung durch die Abwehraktionen von Säugetieren (z. B. Flucht, Einfrieren, Totstellen) zu bewahren. Kontrollierende Emotionale Teile (EP`s) streben danach, Kraft und Macht auszuüben, um den unerträglichen Gefühlen der Ohnmacht zu entkommen. 
In diesem Zusammenhang können sie die Täter bis zu einem gewissen Grad nachahmen. 
Die verschiedenen dissoziativen Teile neigen dazu, zu fürchten, zu verachten und zu vermeiden, können sich aber auch gegenseitig stören. Abgesehen von Phobien traumatischer Erinnerungen und dissoziativer Teile entwickeln viele Personen, die von ihren Eltern und / oder anderen signifikanten anderen vernachlässigt, misshandelt oder missbraucht worden sind, Phobien der Bindung und des Bindungsverlusts. Infolgedessen werden traumatische Erlebnisse und Erinnerungen sowie dissoziative Teile nicht integriert und bestehen als sensomotorische, affektiv aufgeladene Erfahrungen, die immer wieder nachgestellt werden.

Enaktive Traumatherapie ist das Bestreben, das integrative Defizit zu korrigieren. 
Es umfasst den/die Patient*in und den/die Therapeut*in als zwei Organismus-Umweltsysteme, die eine gemeinsame Welt mitgestalten und bestrebt sind, gemeinsame Ergebnisse zu erzielen. Zusammen erzeugen sie neue Handlungen und Bedeutungen. Ihre Zusammenarbeit und Kommunikation ähnelt dem Tanzen: Es braucht Tempo, Abstimmung, Timing, Sensibilität für Gleichgewicht, Bewegung und Rhythmus, Mut sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, zu folgen und zu führen. Es geht um die Entwicklung von „Leidenschaften“ zu Handlungen und bewussten Aktionen. Der Einzelne engagiert sich mit Leidenschaften und erlebt Trauer, je mehr er*sie handelt, das heißt, von äußeren Ursachen beeinflusst wird. Je mehr die Patient*innen ihre eigenen Meister sind, desto mehr handeln sie und je mehr sie handeln, desto mehr erleben sie Freude.

Enaktive Traumatherapie ist dabei eine mitfühlende und engagierte Bemühung, das Bewusstsein auf Kommunikationsebenen zu bringen, die es erlauben, in für die Patient*innen machbaren Schritten, neue wohlwollende und heilende Erfahrungen entstehen zu lassen
Geführt von der Kraft und Macht der Aktionen und Handlungen des*der Patient*innen ist die Enaktive Traumatherapie bei komplexen und chronischen Traumatisierungen ein phasenorientierter Prozess, der körperorientierte Interventionen beinhaltet. 
Grundsätzlich werden Körper und Geist als eine funktionale Einheit verstanden.

Text mit Genehmigung von Fortschritte Hamburg